Entstehung einer Obligation
Eine Obligation kann auf unterschiedliche Art und Weise entstehen. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten der Entstehung eines Schuldverhältnisses: durch Verträge, durch Gesetze und durch Grundsätze der Rechtspraxis. Voraussetzung dafür, dass ein Geschäft abgeschlossen werden kann, ist, dass es zu mindestens einer Willenserklär ung kommt. Die Willenserklärung muss auf die Erzielung einer bestimmten Rechtsfolge gerichtet sein und kann entweder ausdrücklich oder konkludent (durch aussagekräftiges Verhalten) abgegeben werden.
Im Normalfall bedarf es zwei Willenserklärungen: Angebot und Annahme. Bei einseitigen Rechtsgeschäften, bei denen sich nur eine Vertragspartei zu einer Leistung verpflichtet, reicht es aus, wenn diese eine Willensäusserung abgibt. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Testament errichtet oder ein Schenkungsversprechen abgegeben werden soll. Bei Schuldverhältnissen, die nicht durch einen Vertrag begründet werden, kann die Willenserklärung entbehrlich sein.
Obligation durch Gesetz
Viele Menschen wissen nicht, dass sich ein Schuldverhältnis auch dann ergeben kann, wenn sich gar nicht explizit über das Bestehen eines solchen geeinigt wurde. In diesen Fällen entsteht die Obligation durch das Gesetz. Eine entsprechende Willenserklärung ist in diesen Fällen nicht nötig. Es gibt im Schweizer Recht unterschiedliche Konstellationen, in welchen Obligationen durch das Gesetz entstehen. Hier lernen Sie die Wichtigsten kennen:
Unerlaubte Handlung (nach Art. 41 ff OR)
Wenn Sie ein unerlaubte Handlung vornehmen, dann sind Sie zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet. Voraussetzung ist, dass der Schaden rechtswidrig entstanden ist und Ihnen zugerechnet werden kann. Schädiger und Geschädigter müssen sich selbstverständlich nicht im Voraus geeinigt haben, dass ein Schuldverhältnis bestehen soll. Dieses entsteht durch Art. 41 ff OR und führt zu einem Schadenersatzanspruch. Ein Beispiel: A beschmiert die Hauswand des B mit Graffiti.
Ungerechtfertigte Bereicherung (nach Art. 62 ff OR)
Nach Art. 62 ff OR muss eine Bereicherung, die ungerechtfertigt das Vermögen gemehrt hat, zurückerstattet werden. Stellen Sie sich folgende Situation vor: A leiht dem B sein Fahrrad. Der B verkauft dann das Fahrrad an den C, der gewusst hat, dass es nicht dem B gehört – damit scheidet ein gutgläubiger Erwerb aus (zwar nicht entscheidend, macht die Rechtslage jedoch eindeutiger). Der B bekommt Geld von C und dementsprechend wurde sein Vermögen vermehrt. Nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung muss der B dem A den Kaufpreis erstatten.
G.o.A. – Geschäftsführung ohne Auftrag (nach Art. 419 ff OR)
Die G.o.A. ist eine der bekanntesten und komplexesten Rechtsfiguren des Obligationenrechts, die es in der Schweizer Gesetzgebung gibt. Voraussetzung ist, dass eine andere Person für einen anderen Schuldner handelt. Die handelnde Person ist dabei nicht durch einen Vertrag berechtigt, die vorgenommene Handlung zu vollführen. Trotzdem sieht das Gesetz vor, dass die entstehenden Kosten durch denjenigen getragen werden, für den gehandelt wird. So soll verhindert werden, dass unberechtigte Personen in Haftung geraten, die eigentlich im Interesse des Geschäftsherren handeln. Ein einfaches Beispiel:
Sie sind im Urlaub und Ihr Nachbar A bemerkt, dass es in Ihrem Haus zu einem Rohrbruch gekommen ist. Um den Schaden gering zu halten, ruft der A einen Handwerker, der den Schaden behebt. Obwohl der A die Firma gerufen hat, müssen Sie die Kosten für die Reparatur zahlen. Bedenken Sie jedoch, dass die G.o.A. nur dann angewendet werden kann, wenn die Handlung im anzunehmenden Interesse des Schuldners ist. Sie können also nicht in fremden Namen Handlungen vornehmen, die er / sie gar nicht gewollt hat und dann verlangen, dass die Kosten getragen werden. Ob eine Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegt oder nicht, muss im Einzelfall entschieden werden und ist eine juristische Gratwanderung.
Herstellerhaftung nach dem Produkthaftungsgesetz
Nicht nur das Obligationenrecht an sich kann ein Schuldverhältnis begründen. So muss der Hersteller von Produkten auch für Schäden haften, die durch fehlerhafte Produkte entstehen. Die Rechtsgrundlage dafür findet sich in Art. 1 ff PRHG. Beispiel: Der Kosmetikhersteller A verkauft verunreinigte Cremes, die bei dem Anwender B zu einer allergischen Reaktion führen. Für diesen Schaden muss gehaftet werden, obwohl zwischen A und B zum Zeitpunkt der Schädigung keine Obligation besteht.
Haftung des Motorfahrzeughalters (nach Art. 58 ff SVG)
Nach Art. 58 ff SVG muss der Halter eines KFZ für Schäden haften, die durch den Betrieb des Fahrzeugs entstehen. Auf ein Verschulden kommt es dabei nicht an. Die Haftung wird dadurch begründet, dass das Fahrzeug in Betrieb ist und sich eine betriebsspezifische Gefahr verwirklicht hat. Wenn Sie also gegen den Zaun Ihres Nachbarn fahren, dann müssen Sie diesen Schaden ebenso ersetzen. Ein Schuldverhältnis besteht selbstverständlich im Voraus nicht.
Haftung des Grundstückseigentümers (nach Art. 679 ZGB)
Eigentum verpflichtet. Diese Weisheit ist wahr, denn nach Art. 679 ZGB muss der Grundstückseigentümer für Schäden haften, die von seinem Grundstück ausgehend entstanden sind. A hat einen hohen Baum auf seinem Grundstück in Zürich, der schon seit Jahren nicht mehr fachgerecht beschnitten wurde. Eines Tages bricht ein dicker Ast ab und trifft den B auf dem Fussgängerweg. B wird dabei schwer verletzt und muss ärztlich behandelt werden. Der entstandene Schaden fällt in den Haftungsbereich des Grundstückseigentümers. Gleiches gilt, wenn der Ast auf die Gartenhütte des Nachbarn fällt. Es kommt also nicht darauf an, dass der Schaden einer Person entsteht. Auch Sachschäden sind von der Haftung umfasst.